in memoriam Karl Engisch
- Martin Döhring
- 31. Dez. 2020
- 1 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Jan. 2021
Diesen Beitrag widme ich einem der bekanntesten deutschen Juristen. Ich habe ihn selbst eher zufällig persönlich kennengelernt. Karl Engisch habilierte 1930 über das so genannte „Weichensteller“-Theorem.
Ich habe tatsächlich selber sein bekannteste Buch „Einführung in das juristische Denken“ selbst gelesen, obwohl ich kein Jurist bin.
Karl Engisch erklärt am Anfang den Mechanismus der Subsumtion, einer Technik, die in der deutschen Rechtswissenschaft unerläßlich ist. Es wird mit der Subsumtion geprüft, ob sich ein Sachverhalt unter ein Gesetz einordnen, sprich subsumieren lässt.
Dann gibt es einen breiten Essay darüber, warum in deutschen Gerichtssälen die Hermeneutik unzulässig ist. Weil die Richter bei uns gehalten sind, nicht nach ihrem persönlichen Eindruck, sondern anhand von Beweisen zu urteilen. Sehr wichtig.
Karl Engisch trifft eine Unterscheidung zwischen dem angelsächsischen „case-law“ mit Jury (Geschworenengericht) und dem deutschen Recht. Beim case law wird der erste vor Gericht behandelte Fall wegweisend. Treter später ähnlich Fälle auf, müssen diese genauso wie der erste Fall entschieden werden. Jeder erste Fall wird so mit zum Präzedenzfall. In Deutschland wird in einer Gerichtsverhandlung ein Sachverhalt festgestellt. Jury gibt es in Ausnahmefällen als Schöffengerichte. Der Nachteil einer Jury ist, sie ist manipulierbar. Laien können schlechter Recht als Profis und können auch vom Richter oder den Rechtsanwälten getäuscht werden.
Ein weiterer interessanter Beitrag ist die Feststellung, jeder körperliche Eingriff ist juristisch ein Tatbestand der Körperverletzung. Wenn Ärzte also zum Beispiel Blut abnehmen, ist die eine Körperverletzung, die allerdings in der Regel strafrechtlich nicht verfolgt wird. Engisch erwähnt in seinem Buch, dass Ärzten diese juristische Festlegung nicht gefällt.
Kam jetzt wieder unverhofft zu Ehren: Natürlich ist eine Straftat rechtswidrig. Abtreibung ist eine Straftat, also rechtswidrig. Artikel 2 Grundgesetz garantiert die körperliche Unversehrtheit. Deshalb sind medizinische Eingriffe, zum Beispiel Blutabnehmen, rechtswidrig.
Ein spezielles Thema bei Carl Engisch war die Körperverletzung.
Engisch schreibt, ein jeder medizinischer Eingriff in den menschlichen Körper ist Körperverletzung, zu mindestens technisch juristisch gesehen. Allerdings unter normalen Umständen natürlich nicht strafbewehrt, also von der Strafverfolgung ausgenommen und auch nur ein Arzt darf dieses zu bestimmten Konditionen.
Selbst die Blutentnahme, also der Stich mit einer Nadel in eine Vene, ist so Körperverletzung.
Engisch schreibt weiter, wenn er mit dieser seiner These aufwartet führe dies regelmäßig zu Disput oder Empörung bei Medizinern. Wobei er aber stets darauf hinweist, dass mit der technischen Feststellung Körperverletzung noch kein moralisches Urteil über den Arzt gesprochen ist und auch keines über die Wirksamkeit der Medizin.
Das Deutsche Recht kennt eine Entschuldigung für das „Weichenstellerproblem“ aber keine Permission.
Dies nach Paragraf 35 StGB ohne Rechtsgüterabwegung.
Das ist aber a posteriori!
Und ein echter Notstand müsste vorgelegen haben.
Carl Engisch wäre dann der Größte aller Strafrechtler, wenn er den Fall „Jesus Christus“ mal richtig untersucht hätte. Wahrscheinlich war der doch unschuldig, ist aber hingerichtet worden. Also haben die Behörden den Fall verbockt, oder?
Das „Weichensteller“-Theorem des Engisch besagt, ein Weichensteller hat die Option, eine Entscheidung zu treffen, welche die Zukunft beeinflusst.