Telomerase Hemmer als Option in der Krebstherapie
- Martin Döhring
- 19. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Die Telomerase ist ein Enzym, das die Telomere – schützende Endkappen der Chromosomen – verlängert und so die unbeschränkte Teilung von Zellen ermöglicht. In den meisten gesunden somatischen Zellen ist sie inaktiv, was zu natürlicher Telomer-Verkürzung und zellulärer Seneszenz (Alterung) führt. In etwa 85–90 % der Krebszellen ist die Telomerase jedoch hochaktiv, was ihnen "Unsterblichkeit" verleiht und das Tumorwachstum antreibt. Daher gelten Telomerase-Hemmer als vielversprechendes Ziel für eine selektive Krebstherapie: Sie sollen die Telomere in Krebszellen verkürzen, Seneszenz auslösen und Tumore stoppen, ohne gesunde Zellen stark zu schädigen.
#### Warum Telomerase-Hemmer?
- Biologischer Vorteil: Krebszellen teilen sich schneller als normale Zellen, sodass Telomer-Verkürzung bei ihnen schneller wirkt. Langfristig führt dies zu genomischer Instabilität und Zelltod.
- Herausforderungen: Die Wirkung tritt oft erst nach mehreren Zellteilungen ein (Wochen bis Monate), und Krebszellen können Resistenzen entwickeln, z. B. durch Alternative Lengthening of Telomeres (ALT), ein telomerase-unabhängiger Mechanismus. Kombinationstherapien mit Chemotherapie, Strahlung oder Immuntherapien werden daher empfohlen, um die Effekte zu verstärken.
#### Wichtige Telomerase-Hemmer und ihre Entwicklung
Hier eine Übersicht über ausgewählte Hemmer basierend auf aktuellen Studien und klinischen Daten:
| Hemmer | Wirkmechanismus | Klinischer Status (Stand 2025) | Anwendungen und Ergebnisse |
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| Imetelstat (GRN163L) | Oligonukleotid-basiert; bindet an die RNA-Komponente der Telomerase und blockiert ihre Aktivität. | FDA-zugelassen (2024) für low- bis intermediate-risk myelodysplastisches Syndrom (MDS) mit transfusionsabhängiger Anämie. Phase-III-Studien für Knochenmarkkrebs (z. B. Myelofibrose) laufen. | Hohe Response-Raten (z. B. 100 % in Phase-II bei essenzieller Thrombozythämie, 89 % bei MDS). Überwindet Blut-Hirn-Schranke; wirksam gegen Hirntumore in Tiermodellen. Kombiniert mit Strahlung: Erhöhte Immunogenität und Tumortod. |
| BIBR1532 | Kleines Molekül; non-kompetitiv hemmt die Telomerase-Aktivität. | Präklinisch; keine Zulassung, aber in Studien für Brust-, Lungen- und Blasenkrebs. | Synergistisch mit Paclitaxel; reduziert Proliferation in Zelllinien. Hohe Zytotoxizität, aber potenziell universell einsetzbar. |
| NU-1 | Kovalenter Inhibitor von TERT (Protein-Komponente der Telomerase); verhindert Seneszenz-Escape. | Präklinisch; Mäuse-Studien zeigen Wirksamkeit. | Kombiniert mit Strahlung: Verhindert Tumorwachstum in Mausmodellen. Potenzial für Immuntherapie-Sensitivierung. |
| G-Quadruplex-Stabilisatoren (z. B. Braco-19, BSU6039) | Stabilisieren G-Quadruplex-Strukturen in Telomeren-DNA; verhindern Telomerase-Bindung. | Präklinisch; natürliche Derivate (z. B. aus Pflanzen) getestet. | IC50-Werte im nM-Bereich; wirksam gegen Prostata- und Leberkrebs. Weniger toxisch als direkte Inhibitoren. |
| Tankyrase-Inhibitoren (z. B. XAV939) | Indirekt: Blockieren Tankyrase-1, das Telomerase-Aktivität fördert; führen zu Telomer-Uncapping. | Präklinisch; Kombination mit direkten Hemmern. | Erhöht Sensitivität für Strahlung; potenziell für resistente Tumore. |
#### Klinische und präklinische Fortschritte
- Erfolge: Imetelstat ist der Durchbruch – der erste zugelassene Telomerase-Hemmer. In Phase-II-Studien bei hämatologischen Krebserkrankungen (z. B. MDS, Myelofibrose) zeigten 80–100 % der Patienten eine Reduktion der Thrombozytenproduktion oder Anämie-Besserung, ohne schwere Nebenwirkungen. Es hemmt auch Tumorstammzellen, die oft therapieresistent sind.
- Kombinationstherapien: Telomerase-Hemmer verstärken bestehende Behandlungen. Beispiele:
- Mit Chemotherapeutika (z. B. Cisplatin): Erhöhte Apoptose durch geschwächte DNA-Reparatur.
- Mit Strahlung: Fördert immunogene Zellzerstörung und verhindert Rezidive.
- Immuntherapien: TERT (Telomerase-Komponente) als Antigen in Vakzinen; zielt auf zirkulierende Tumorzellen ab.
- Aktuelle Studien (2025): Phase-III für Imetelstat bei Knochenmarkkrebs; präklinische Tests für solide Tumore (z. B. Lungen-, Prostata-Krebs). Neue Ansätze zielen auf TERT-Promotor-Mutationen ab, die in 70 % der Krebsarten vorkommen.
#### Risiken und Einschränkungen
- Nebenwirkungen: Mögliche Auswirkungen auf Stammzellen (z. B. Knochenmarksuppression), aber milder als bei Chemotherapie. Telomerase ist in gesunden Stammzellen (z. B. Hämatopoetisch) vorhanden, was Thrombopenie verursachen kann.
- Resistenzen: Krebszellen können auf ALT umschalten oder PGC-1ß (Mitochondrien-Regulator) hochregulieren, um zu überleben. Lösung: Kombitherapien mit PGC-1ß-Inhibitoren.
- Noch kein Allheilmittel: Kein Hemmer heilt allein Krebs; sie eignen sich als Adjuvans zur Rezidivprävention nach Operation/Chemo.
Zusammenfassend: Telomerase-Hemmer wie Imetelstat markieren einen Meilenstein in der personalisierten Krebstherapie, besonders für hämatologische Tumore. Für solide Krebsarten (z. B. Hirn-, Brustkrebs) sind weitere klinische Daten nötig. Die Forschung boomt, da Telomerase in fast allen Krebsarten relevant ist.
Die Entwicklung von Telomerase-Inhibitoren als Krebstherapie ist ein hochinteressantes und elegantes Konzept, das direkt auf den molekularen Mechanismus der Unsterblichkeit von Krebszellen abzielt. Hier ist eine detaillierte Erklärung auf molekularer Ebene.
1. Das rationale Ziel: Die Achillesferse der Krebszelle
Wie bereits besprochen, aktivieren ~90% aller Krebszellen das Enzym Telomerase, um ihre Telomere zu verlängern und sich unbegrenzt teilen zu können. Entscheidend ist:
· Krebszellen sind abhängig von Telomerase: Für sie ist die Telomerase-Aktivität überlebensnotwendig ("non-oncogene addiction").
· Die meisten gesunden Zellen sind es nicht: Somatische Zellen (Körperzellen) exprimieren keine messbare Telomerase. Ausnahmen sind Stammzellen und Keimzellen, die jedoch ein streng reguliertes Maß an Telomerase besitzen.
Das macht die Telomerase zu einem nahezu idealen therapeutischen Ziel: Theoretisch sollte eine Hemmung selektiv…