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AutorenbildMartin Döhring

Mordfall zum Nachteil der Rose-Marie Nitribitt

Aktualisiert: 6. Sept. 2019


Am 1.11.1957 wurde die Prostituierte Rosemarie Nitribitt ermordet morgens in ihrer Wohnung in der Stiftstrasse 36 in Frankfurt aufgefunden, nachdem die Polizei ihre Eingangstür gewaltsam geöffnet hatte. Der Fall entwickelte sich schnell zu einem Skandal: Ein Mörder wurde offiziell nie ermittelt. Mord ist ein Kapitalverbrechen. Der §211 StGB sieht als Strafe für dieses Delikt eine lebenslängliche Haftstrafe vor. Forensik als Rechtsmedizin kann in diesen Fällen helfen, das Verbrechen aufzuklären, der Arzt als Mediziner wird natürlich nicht versuchen zu heilen, denn beim Vorliegen einer Leiche wird es wohl dafür erkennbar zu spät sein. Vielmehr handelt es sich um eine zivilisatorische kulturell wertvolle Handlung. Nach der Rechtstheorie gibt es die öffentliche Strafgerichtsbarkeit dafür, um den Opfern oder ihren Hinterbliebenen die Rache abzukaufen, als Handel sozusagen oder als Barriere gegen Selbstjustiz. In den letzten 20 Jahren hatte das mediale Interesse erneut an dem Fall zu genommen. Der Fall stinkt. Ich selbst konnte durch Akteneinsicht feststellen, dass die Ermittlungsarbeit schlecht war und schlimmer noch, offizielle Ermittler haben die Akten frisiert und Untersuchungsergebnisse gefälscht, manipuliert und den Zusammenhang verfälscht. Manipuliert waren zum Beispiel die Transkriptionen der Tonbandaufzeichnungen der Nitribitt. Offizielle Übersetzungen aus anderen Sprachen geben den ursprünglichen Inhalt falsch wieder, so wurde beispielsweise ein Arzt aus New York zu einem Physiker (FBI-Bericht aufgrund eines Rechtshilfeersuchens). Vor einigen Jahren habe ich die offizielle Erlaubnis erwirkt, die Akten im hessischen Staatsarchiv zu durchforsten. Meine Begründung war forensisches Interesse. Forensik ist die Kriminologie mit medizinischen Mitteln. Mit den mageren Angaben zum Todeszeitpunkt wollte ich mich nicht abgeben, und vielleicht in den Akten Zeugenaussagen oder Belege finden, die eine genauere Bestimmung des Todeszeitpunktes zulassen. 70 Akten liegen in 40 Kartons vorsortiert im Hessischen Staatsarchiv in Wiesbaden. Ich habe Wochen benötigt, um mir allein einen Überblick zu verschaffen. Man könnte aus dem Beifang der Ermittlungen und den Dokumenten der Akten eine endlos Doku-Soap fürs TV stricken. Der Hauptbeschuldigte wurde freigesprochen. Ich hatte den unangenehmen Eindruck, die Staatsanwaltschaft hat sich auf den Beschuldigten kapriziert, weil er so als Täter wunderbar passt, im Sinne von „too good to be true“. Das Gericht hat den Beschuldigten letztlich frei gesprochen und bereits 1 Jahr vor Prozessende aus der Untersuchungshaft entlassen. Ich selbst halte ihn auch für unschuldig, sein Motiv wäre Raubmord gewesen, was aber gar nicht so richtig passt. Es existiert ein etwa 30 seitiges psychiatrisches Gutachten über den Angeklagten, mit der Feststellung der vollen Schuldfähigkeit bei Ausschluss einer höherwertigen psychiatrischen Erkrankung. Vor einigen Jahren hat ein promovierter Jülicher ein Buch zum Fall geschrieben, mit dem Ergebnis, ein akzidenteller Freier der Nitribitt hätte das Tötungsdelikt begangen. Dafür geben die Akten einen Anhaltspunkt. Tatsächlich hatte ein junger Mann sich freiwillig bei der Polizei gemeldet, und sich selbst der Tat bezichtigt. Erstaunlicherweise enden die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft aber nach ein paar Berichten und innerhalb von zwei Wochen, freilich ohne diesen Mann jemals als dringend tatverdächtig in Untersuchungshaft genommen zu haben und ohne Ausschluss seiner Schuld. Dies gibt jedenfalls die Aktenlage so her. Es war für mich sehr abenteuerlich dies in den Akten zu lesen, aber bestimmt nicht die größte Überraschung. Mit einer genauen Todeszeitpunktbestimmung hätte man nun diesen und andere Verdächtigen bestätigen oder entlasten können. Hätte... Frau Nitribitt wurde mit einem rosa Handtuch erwürgt. Aufgefunden wurde sie mit erheblichen Verwesungserscheinungen. Aufgrund des Verwesungsgeruches haben die Beamten die Fenster geöffnet. Ein schwerer Fehler, denn die Umgebungstemperatur und die Körperkerntemperatur können den Todeszeitpunkt bestimmen. Auf dem Grabstein der Nitribitt wurde der Zeitpunkt des Auffindens ihrer Leiche angegeben, aber nicht der Tag ihres Ablebens. Bei Verwesungserscheinungen muss letztlich ein Tod angenommen, der mindestens 3 Tage zuvor statt gefunden hat. Frau Nitribitt wurde also spätestens in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag umgebracht. Allerdings gibt es schriftliche Aussagen von Zeugen, die Frau Nitrittbit noch am Donnerstagabend lebend gesehen haben wollen. Aufgrund der Akteneinsicht bin ich sehr wohl der Überzeugung, Frau Nitribitt habe mehrfach und eher auch konsequent Erpressung betrieben. Dies aus einer moralischen Zerrüttung heraus, die wohl weniger durch ihre Tätigkeit, sondern durch ihre Biografie zu erklären ist. Sie muss öfter den Eindruck gehabt habe, als Opfer vom Staat bestraft zu werden oder bestraft worden zu sein. Ich selbst halte es für möglich, dass Frau Nitribitt von einem Prominenten ermordet wurde, um ihre Erpressungsversuche damit zu beenden. Weiterhin möglich, aber mit geringeren Wahrscheinlichkeiten gibt es in dem Fall Personen mit denkbaren Motiven für das Tötungsdelikt wie Eifersucht, Neid, aber auch Affekt oder Rachsucht. Man hatte bereits den Behörden immer mal wieder vorgeworfen, zu schonend mit prominenten Tatverdächtigen umgegangen zu sein, also fast schon Beihilfe zur Verschleierung zu begehen. Das Grab der Nitribitt habe ich auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof selbst besucht. Ohne den Friedhofsgärtner hätte ich es allerdings nicht gefunden, obwohl ich einen Lageplan und sogar die Grabnummer hatte. Zu meiner Überraschung ist in dem Grab der Nitribitt eine zweite Person bestattet worden. Der Grabstein der Nitribitt ragt vertikal aus dem Grab hervor, die zweite Grabplatte ist horizontal eingelassen, eine männliche Person, zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt dort zusätzlich beigesetzt worden. Beklagenswert finde ich, der Fall erweckt den Eindruck, man könne eine Hure ermorden und straffrei davon kommen, weil sie halt nur eine Hure ist. Der wahre Täter ist wahrscheinlich längst verstorben, aber trotzdem hat die Gesellschaft ein Recht und ein Interesse, seinen Namen zu erfahren. .

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31 Comments


Martin Döhring
Martin Döhring
Sep 03

Harald von Bohlen und Halbach, ein Mitglied der berühmten Krupp-Dynastie, wurde tatsächlich im Zusammenhang mit dem Mordfall Rosemarie Nitribitt erwähnt. Es gab Spekulationen und Gerüchte über seine mögliche Verwicklung, da er angeblich zu ihrem Kundenkreis gehörte².


Die Ermittlungen und die mediale Berichterstattung brachten ihn ins Visier, aber es gab keine konkreten Beweise, die seine direkte Beteiligung an dem Mord bestätigten. Die lange verloren geglaubten Akten, die später wiedergefunden und veröffentlicht wurden, zeigten jedoch, dass er und andere Mitglieder der Krupp-Familie in den Fall verwickelt waren, was zu weiteren Spekulationen führte².


Möchtest du mehr über die Ermittlungen oder andere Verdächtige erfahren? 😊


²: [Focus](https://www.focus.de/panorama/welt/briefe-und-protokolle-veroeffentlicht-mord-an-edelhure-so-tief-war-die-krupp-spitze-in-den-fall-rosemarie-verstrickt_id_3856979.html)


(1) Verdacht, Alibi, Motiv und Erpressung: Mord an Edelhure: So tief war .... https://www.focus.de/panorama/welt/briefe-und-protokolle-veroeffentlicht-mord-an-edelhure-so-tief-war-die-krupp-spitze-in-den-fall-rosemarie-verstrickt_id_3856979.html.

(2) Harald von…

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Martin Döhring
Martin Döhring
Sep 02


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Martin Döhring
Martin Döhring
Sep 02

Der Mörder der Nitribitt ist vielen bekannt. Sein Name steht in der Akte. Er hat sich selbst gestellt und ein Geständnis abgelegt. Gegen ihn wurde nicht ermittelt stattdessen gegen Heinz Pohlmann.

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Martin Döhring
Martin Döhring
Sep 02

Das Motiv für den Mord an der Nitribitt ist klar: Strafvereitelung und Vertuschung.

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Martin Döhring
Martin Döhring
Jan 29


Die Leiche der Nitribitt wurde am 1.November aufgefunden, die Polizei hatte ihre Wohnung nach Hinweisen gewaltsam geöffnet.

Der Todeszeitpunkt konnte nicht ermittelt werden, liegt aber mindestens 2 bis 3 Tage zurück.


Die Nitribitt wurde auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof beigesetzt. Die Kosten musste die Stadt Düsseldorf übernehmen, obwohl die Nitribitt ihrer Mutter eine staatliche Geldsumme hinterlassen hatte.

Der Grabstein der Nitribitt wurde erst in den 70er Jahren von Unbekannten gestiftet.


Mittlerweile ist eine weitere männliche Person im Grab der Nitribitt beigesetzt worden, sein Grabstein verläuft parallel zur Oberfläche.


Die Ermittlungen konzentrierten sich gegen den Hauptverdächtigen. Die Staatsanwaltschaft hielt den Angeklagten tatsächlich für den Täter.

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