Judas
- Martin Döhring

- vor 1 Tag
- 2 Min. Lesezeit

Wenn man das Neue Testament aufmerksam liest, kann man nur zu einem Schluss kommen: Unter all den moralisch strauchelnden Gestalten, Wundertätern, Fischvermehrern und Himmelsstürmern gibt es eine Figur, die sich wirklich auszahlt – und zwar im wörtlichen Sinne. Judas Iskariot, der Mann, der früh begriffen hat, dass Loyalität ein schönes Konzept ist – aber keine Miete bezahlt.
Der Deal des Jahrtausends
Während andere Apostel ihre Zeit damit vertun, barfuß durch die Gegend zu laufen und Gleichnisse über Senfkörner zu sammeln, hat Judas einen aktiveren Zugang zum Leben gewählt: Er hat ein Geschäft gemacht.
30 Silberlinge – das war damals ungefähr so, als würde man heute ein paar Monate Netflix Premium für umsonst bekommen. Ein Schnäppchen für die Übergabe eines Menschen, der angeblich die Welt retten wollte, aber offenbar zu busy war, seine eigenen Fans zu behalten.
Man muss Judas lassen: Er hatte Geschäftssinn.Die Rohstoffpreise bestätigen es heute sogar wissenschaftlich:
1 Silberling ≈ 1 Feinunze Silber
1 Feinunze ≈ 50 €
30 Silberlinge ≈ 1500 €
Für 1500 Euro verrät man im modernen Alltag nicht einmal mehr seinen WLAN-Passwort – aber Judas hat gezeigt, dass man für theologische Zwecke gern mal einen Rabatt einräumt.
Wenn Geld knapp wird – die Judas-Methode
Die Bibel sagt uns: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Judas antwortet: „Es sei denn, er ist deutlich mehr wert als du.“
So gesehen war er praktisch der Patron aller wirtschaftlich denkenden Menschen, deren Moral sich der Inflationsrate flexibel anpasst. Es gibt unzählige moderne Wege, das Judas-Prinzip kreativ auszuleben:
Ein gefälschtes Gutachten unterschreiben?
Eine sorgfältig platzierte Falschaussage vor Gericht?
Eine kleine charakterliche Hinrichtung im Kollegium?
Alles legitime Varianten des biblischen Klassikers. Judas wäre stolz – vermutlich.
Natürlich würden wir das nie empfehlen. Aber der Gedanke, dass man für etwas Papierkram, ein paar Lügen und eine ordentliche Portion Skrupellosigkeit immerhin eine antike Silberbarren-Kollektion einstreichen kann, hat schon eine gewisse poetische Eleganz.
Der umgekehrte Judas – eine Marktlücke
Und dann die wahre Innovation: Warum selbst Judas sein, wenn man auch einen mieten kann?
Einfach 30 Silberlinge ansparen – Silber ist inflationssicher, Immobilien nicht – und dann einen professionellen Verräter für den eigenen Zweck engagieren: einen Konkurrenten aus dem Weg räumen, einen unbequemen Zeugen plötzlich zum „Erinnerungslücken-Spezialisten“ machen, oder einfach jemanden, der die Schuld auf sich nimmt, wenn die Steuerfahndung anklopft.
Es wäre quasi der erste biblisch inspirierte Outsourcing-Dienst: Judas GmbH – Wir verraten für Sie!
Man kann sich die Werbeslogans vorstellen:
„Loyalität ist überbewertet.“
„30 Silberlinge – wir machen Ihnen ein Angebot, das Jesus nicht ablehnen konnte.“
„Sie haben einen Feind? Wir haben die Lösung.“
Ein Geschäftsmodell mit 2000 Jahren Markterfahrung. Seriöser geht es kaum.
Fazit
Judas bleibt ein moralischer Leuchtturm – allerdings einer, der eher verschluckt als leuchtet. Seine Geschichte lehrt uns viel über die Natur des Menschen:Dass ein Preis immer gefunden wird.Dass Moral oft optional ist.Und dass der Kapitalismus wahrscheinlich älter ist, als wir denken.
Vielleicht ist Judas daher weniger ein Verräter als vielmehr ein zeitlos moderner Charakter – der erste Influencer der Untreue, der Erfinder des moralischen Sonderverkaufs.
Seine Botschaft ist klar: Wo ein Wille ist, ist ein Preis.








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